Vor 10 Jahren: Apples Management-Beben – Forstall, Ive, Browett, Federighi und Cue
Es war ein ganz großer Knall, den so auch niemand wirklich hatte kommen sehen. Vor zehn Jahren gab Apple eine grundlegende Neuaufstellung des Top-Managements bekannt – und trennte sich ausgerechnet von jenem prominenten Gesicht, das in Diskussionen gerne als potenzieller CEO bezeichnet wurde. Sowohl iOS-Chef Scott Forstall als auch Retail-Chef John Browett mussten ihren Hut nehmen, wenngleich letzterer von Anfang eine unglückliche Figur gemacht hatte.
Gleichzeitig beförderte Apple den bisherigen Hardware-Designer Jony Ive auch an die Spitze des Interface-Teams von iOS – und Eddy Cue erhielt mit den Abteilungen Siri sowie Maps zusätzliche Verantwortung. Craig Federighi war fortan Entwicklungs-Chef von iOS und macOS, der aus dem Ruhestand reaktivierte Bob Mansfield sollte der Abteilung "Technologies" vorstehen.
Das Aus von Scott ForstallZu Zeiten von Steve Jobs hatte Scott Forstall als Wunderkind gegolten und war mitverantwortlich für den Erfolg von iPhone sowie iOS. Allerdings kam es vermehrt zu starken Konflikten und auch technischen Pannen. Die vollständig misslungene und mit viel Spott kommentierte Einführung von Apple Maps war auf Forstalls Kappe gegangen – der aber jede öffentliche Entschuldigung oder Verantwortung dafür ablehnte.
Gleichzeitig hieß es aus mehreren
Berichten, Forstall habe sich in Diskussionen derart unkollegial und unproduktiv verhalten, dass selbst hochrangige Manager sich weigerten, mit ihm in einem Raum zu sein. Wichtiges Personal wie iPod-Vater Tony Fadell (2010) sowie Jean-Marie Hullot und Jon Rubinstein waren in den Jahren zuvor angeblich aus Protest gegen Forstalls Auftreten gegangen.
Dessen Diskussions-Stil prägten nach dem Tod von Steve Jobs zudem permanente Wertungen wie "Das hätte Steve Jobs aber so gewollt" und "das hätte Steve Jobs nicht gefallen" – was inhaltlichen Austausch wohl ausgesprochen beschwerlich machte. Die Degradierung zum "Berater", faktisch war es ein Rauswurf, war der Gipfel zunehmender Differenzen bezüglich Arbeitsweise, Resultaten und ausbleibender Einsicht bei offensichtlichen Fehlern. Die Ironie an der Sache: Jobs hatte Tim Cook ausdrücklich darum gebeten, niemals Probleme mit der Herangehensweise "was würde Jobs tun" zu lösen. Genau an der Vorgabe scheiterte dann Forstall als einer der wichtigsten Jobs-Vertrauten aber.
Forstalls einstige Profilseite Das Aus von John Browett Die Amtszeit des Retail-Chefs John Browett war hingegen von Anfang bis Ende eine merkwürdige Geschichte. Die Erfahrungen Browetts hatten sich auf minderqualitative Anbieter mit schlechter Kundenbetreuung beschränkt – nun folgte jedoch der überraschende Wechsel vom Leiter einer Ramsch-Kette hin zu einem Luxus-Retailer. Aggressive Verkaufstaktiken und maximale Umsatzsteigerung galten fortan als neue Ausrichtung der eigentlich als Wohlfühl-Ort konzipierten Apple Stores. Tim Cook erkannte diesen Fehlgriff allerdings sehr schnell und korrigierte den Fehler noch im selben Jahr. Dessen Nachfolgerin Angela Ahrendts sorgte hingegen für eine neue Blüte der Stores – durch Fokussierung auf jene Werte, die Apples Ladengeschäfte überhaupt erst zu einem großen Erfolg gemacht hatten.
John Browett (links) Ive-Design auf dem iPhone – alles wird flachFür Steve Jobs und Jony Ive hatte es beim Hardware-Design stets die Devise "flacher ist besser" gegeben. Dadurch entstanden erstaunliche Produkte, wenngleich sich die Hardware-Entwicklung stets den Designvorgaben unterzuordnen hatte. Wenn flacheres Design zulasten des Akkus oder gestrichener Ausstattung gehen musste, so war es eben so. Das aktuelle MacBook Pro (2021), kaum als Eleganzwunder zu bezeichnen, dokumentiert den Mentalitätsunterschied zwischen heute und damals deutlich.
Was beim Hardware-Design stets zu viel Beifall geführt hatte, sollte auch im Softwarebereich passieren. iOS 7 markierte den Wechsel von der ausladenden, plastischen Optik hin zum "Flat Design", das in der ersten Ausprägung sogar jegliche Buttons und Schaltflächen durch Text ersetzt, Schatten weitgehend eliminierte. Optisch mag das System sehr viel hergemacht haben, rein funktionell bezeichneten es viele aber als Rückschritt. Sehr deutlich konnte man den Philosophie-Unterschied zwischen Forstall und Ive erkennen – nachdem Forstalls Entlassung als verlorener Machtkampf mit Jony Ive galt, konnte man sich vorstellen, wie groß die Differenzen in der Zeit zuvor gewesen waren.
"Flacher ist besser" traf hier auf das Display zu Zehn Jahre späterIn den meisten Bereichen lagen Tim Cook und die weiteren Entscheidungsträger damals richtig. Auch wenn der Design-Wechsel bei iOS zu radikal war und Stück für Stück korrigiert wurde, leitete man wichtige Entwicklungen ein. Heute ist Craig Federighi einer der wichtigen Apple-Manager – auf Eddy Cue trifft im Hintergrund selbiges zu. Die Retail Stores konnten nach der Entlassung Browetts den Schritt in die Moderne wagen – gleichzeitig emanzipierte sich Cook und machte deutlich, nicht in "wie hätten wir es früher unter Jobs gemacht"-Gedanken festzuhängen. Eine Sache sollte aber Jahre später noch einmal umgeworfen werden, denn der einst dominante Fokus auf Design verschob sich nach der Trennung von Ive stärker hin zu Funktionalität. Apple ist nicht nur in der Post-Jobs-, sondern auch der Post-Ive-Ära angelangt.