Werden Browser wieder spannend? – Auf der Suche nach dem Next Big Thing
Als das World Wide Web noch recht jung war, tummelten sich ganz verschiedene Browser-Anbieter auf dem Markt. Vom Netscape Navigator über Mosaic, diversen anderen kleinen Browsern der Frühzeit bis hin zum Internet Explorer reichte das Angebot. Bald setzte aber die große Eintönigkeit ein. Kam zunächst der Netscape Navigator auf mehr als 80 Prozent Marktanteil, so eroberte der Internet Explorer bis zum Jahr 2002 fast 93 Prozent Anteil. Selbst auf dem Mac war Microsofts Browser die Standard-Option, Auswahl gab es nahezu nicht mehr. 2003 wurde es wieder bunter und Firefox mischte die Landschaft auf, 2010 setzte fast jeder dritte Nutzer auf das Open-Source-Produkt.
2012: Chrome machte den Internet Explorer plattNoch schneller erfolgte der Siegeszug von Chrome. 2012 überholte Googles Browser bereits Firefox – und im selben Jahr fiel der Internet Explorer erstmals seit eineinhalb Jahrzehnten vom ersten auf den zweiten Platz. Mit knapp 71 Prozent Marktanteil (Stand Ende 2019) schwingt sich Chrome langsam in Höhen empor, wie sie einst vom Netscape Navigator (natürlich bei vergleichsweise geringer absoluter Nutzerzahl) oder vom Internet Explorer gehalten wurden. Allerdings sieht heutzutage die Landschaft noch viel eintöniger aus, als die Zahlen es suggerieren. Auch Microsoft Edge (4,5 Prozent) und Opera setzen auf Chromium, Safari mit 5,6 Prozent basiert ebenfalls auf WebKit. Der Markt hat sich stark verdichtet – WebKit ist die alles dominierende Technologie.
2020: Es herrscht wieder eine gewisse GoldgräberstimmungAn dieser Entwicklung dürfte sich auch alsbald nichts ändern, es gibt keinen Grund, warum die WebKit-Dominant bald enden sollte. Gleichzeitig macht sich in der Branche aber erstmals seit Langem eine gewisse Pionierstimmung breit. "Browser sind wieder interessant", heißt es – und damit sind nicht die alteingesessenen Anbieter gemeint, sondern junge Startups. Investoren haben erkannt, wie viel Potenzial im Browsermarkt steckt und
investieren daher viel Geld in neue Anbieter. Einen kompletten Browser aus der Taufe zu heben, also wie Microsoft einst als "Full Service Provider" mit Browser-App und Rendering-Technologie aus eigener Hand aufzutreten, ist allerdings kein realistisches Szenario.
Ein Browser ist natürlich noch mehr als das
Mit Chromium eigene Wege gehenStattdessen geht es darum, Googles "Eine Standardlösung für alles Anwendungsbereiche"-Ansatz Alternativen entgegenzustellen. Googles eigenes Chromium-Projekt bietet dabei viel Potenzial, um das Rad nicht neu erfinden zu müssen, dennoch eigene Wege gehen zu können. Unter anderem "
The Browser Company" hat sich der Aufgabe verschrieben, eine bessere Pforte zum Internet mit einem Browser-Konzept des Jahres 2020 zu bieten. Mehrere Millionen Dollar wurden von Investoren eingesammelt, damit Entwickler Probleme lösen, welche die großen Anbieter nicht angehen. Zahlreiche andere, ebenfalls mit Geldgeber-Millionen unterfütterte Browser-Projekte ersinnen gleichermaßen Wege, um einzelne Nutzergruppen besser anzusprechen. Egal ob das Ziel Performance, Funktionalität oder Produktivität lautet, (größere) Marktnischen sehen die Start-Ups zuhauf.
Wird der Browsermarkt also wieder spannend?Angesichts der gewaltigen Marketingmacht großer Internet-Konzerne ist es sehr schwer, sich als kompletter Newcomer zum neuen Branchen-Primus aufzuschwingen. Allerdings zeigten sowohl der Internet Explorer, Firefox als auch Chrome, wie man alteingesessenen Anbietern das Fürchten lehren kann. Ob es eines jener neuen Projekte ist, lässt sich schwer sagen. Wünschen kann man sich mehr Wettbewerb aber in jedem Fall – und zwar Wettbewerb, der nicht nur zwischen Apple, Google und Microsoft ausgefochten wird. Der Projektleiter der "Browser Company" drückt es folgendermaßen aus: "Chrome und Safari sind wie Toyota oder Honda. Sie sind zuverlässig, erschwinglich, zugänglich und simpel. Jetzt braucht man allerdings wieder einmal einen Tesla für das Web".