Zwei Tage nach der Umsatzwarnung haben sich Einschätzungen und Analysen von allerlei Seiten angesammelt. Zunächst interessiert die Gemeinschaft, wie schlimm die Situation eigentlich ist, denn ein paar Milliarden Umsatzminus fallen zunächst einmal nicht ins Gewicht. Oder ist dies der Beginn eines Trendes, einer tieferen Krise? Zudem fragt man sich, ob die Gründe von außen kommen oder womöglich strukturelle Probleme in der Konzernpolitik offenlegen. Daneben geht es um Handlungsmöglichkeiten Apples.
Schluckauf oder Trend nach unten? Preise, Kurse und die WeltwirtschaftJe nach Perspektive rollt Apple gerade in die größte Krise seit den 90er Jahren oder hat nur ein kleines Schlagloch überfahren. Wer den Aktienkurs als Indikator heranzieht, spricht von über 30 Prozent Verlust seit November und beziffert den "Schaden" für Aktionäre auf rund 300 Milliarden US-Dollar. Der Kursturz zieht ganze Börsen in seinen Strudel, zunächst nur Zulieferer- und Technik-Titel, nun ganze Indizes – spätestens seit dem Wirtschaftsberater aus dem Weißen Haus
erwarten, dass die Handelsprobleme zwischen USA und China die Gewinne von noch mehr Unternehmen schmälern werden. Apple selbst schmerzt die
Umsatzsenkung von erwarteten 88 bis 93 Milliarden auf 84 Milliarden US-Dollar kaum. Es ist eher der
Vertrauensverlust an der Börse, der Apple langfristig schaden kann. Schon als der Konzern verlautbaren ließ,
keine Stückzahlen mehr zu veröffentlichen, wurden einige skeptisch und sehen sich nun bestätigt. Beobachter und Marktforscher wollen
in dem Rückgang einen Trend erkannt haben, der auf Apples Preisstrategie zurückzuführen ist und erwarten weiter sinkende Marktanteile. Bei Bloomberg hingegen
stellt Tim Culpan fest, Apple sei besser auf die Probleme des chinesischen Marktes vorbereitet als alle anderen Teilnehmer. Schließlich habe der Konzern seine Lagerbestände auf ein Minimum heruntergefahren und sei insgesamt gut vorbereitet für den wirtschaftlichen "Abschwung". Allerdings bezweifelt der Autor Cooks Fähigkeit, Apple aus der iPhone-Ära herauszuführen. Goldman-Sachs
vergleicht Apple schon mit Nokia und sieht den Umsatzschwund als Beginn einer längeren Talfahrt.
Die Senkung der Lagerbestände sieht Bloomberg als gute Vorbereitung Apples an. Quelle: Bloomberg Wer ist Schuld? Trump, China und die iPhone-ZahlenApples Führung weist die Schuld von sich: In Chinas schwächelnder Wirtschaft liege der Grund für die Umsatzschwäche. Dabei sollte man sich darüber klar werden, dass sich die Ökonomie des Reichs der Mitte keineswegs in einer Rezession befindet, die Wirtschaft dort wächst weiterhin, nur nicht mehr so stark.
Analysten warnten bereits zuvor, Apples Hochpreisstrategie führe zu niedrigerem Absatz, doch von strategischen Fehlern will man in Cupertino nichts wissen.
Tim Cook ist sich in einem Interview einen Tag nach der Warnung keiner Schuld bewußt. Er weist sanft auf den Handelskrieg mit China hin, ein Konflikt, den Apple bisher nicht direkt betrifft. Den sieht etwa Daniel Eran Dilger aus dem Mac-Umfeld als
wirklichen Grund an und pocht darauf, dass Apple weiterhin die Märkte dominiert und jeder Wettbewerber sich selbst über die gesunkenen Umsätze freuen würde. Er betont, die Umsatzsenkung betrage nur etwa ein Prozent.
Dass Apple Rekorde in der Dienste-Sparte erzielt, macht im Gesamtumsatz wenig aus. Grafik: Bloomberg Wie geht Apple damit um? Trade-In, Ratenzahlungen und one more thingIn dem schon erwähnten Interview erklärt Tim Cook, man steuere schon den sinkenden Umsätzen gegen. Als Beispiel nennt er das eilig aufgelegte Trade-In-Programm. Beobachter kritisieren es, denn es senkt nicht den Preis der Premiumgeräte, sondern offeriert nur die Inzahlungnahme von Altgeräten – und das nicht zu konkurrenzlos guten Konditionen. Auch Cooks Ratenzahlungsprogramm hilft nur kosmetisch. Dass er im vergangenen Sommer empfohlen hat, die Menschen sollten doch die neuen, teureren Geräte einfach per Raten kaufen, dann liege der Anstieg in nur wenigen Dollar pro Monat, zeugt vor allem von fehlendem Problemverständnis. Entsprechend
skeptisch sind die Beobachter bezüglich der Lösungsansätze aus Cupertino. Es sei nicht verwunderlich, dass Kunden lieber 29 Dollar für einen Akku-Tausch ausgeben (Cook hatte das Programm als weiteren Grund erwähnt) als 749 Dollar für das neuste Modell. Von der "schwerwiegenden Entscheidung, die wahnsinnige 38-prozentige Gewinnmarge zu reduzieren" ist dort die Rede. Cook trommelt nun seine Mitarbeiter zusammen, um den Trend umzukehren. In einem
entsprechenden Memo wiederholt er seine Ansicht, makroökonomische Faktoren seien der Grund – und nicht, dass speziell in Schwellenländern Wettbewerber Smartphones mit ähnlichen Fähigkeiten mehrere Hundert Dollar günstiger anbieten. Dort gelobt er, aus der Krise "zu lernen und zu handeln". So könnte es im Zuge eines möglichen Umbruchs vielleicht doch noch dazu kommen, dass der iPhone-Hersteller wieder ein Produkt zu einem niedrigeren Preis entwickelt – und eventuell als "one more thing…" in einer der kommenden Präsentationen herausbringt. Das zumindest
sieht Gene Munster neben massiven Aktienrückkäufen und höherer Transparenz den Investoren gegenüber als mögliche Wege, den Kurs wieder zu stabilisieren.