YouTube-Chefin warnt: Neues EU-Urheberrecht führt zu massenhaft blockierten Videos
In der EU-Richtlinie zum digitalen Urheberrecht steht Artikel 13 im Vordergrund der Diskussion, in die sich nun noch einmal Susan Wojcicki eingemischt hat. Die YouTube-Chefin sieht dramatische Konsequenzen auf die Bürger zukommen, denn die Videoplattform könne nicht alle Inhalte auf entsprechende Rechte überprüfen und werde diese daher eher blockieren. Sie hofft auf eine andere Lösung und bietet Alternativen an. Macht YouTube die Drohung wahr, würde der Zweck des Gesetzes ins Gegenteil verkehrt.
Schöpferwirtschaft in GefahrWojcicki
schreibt in dem Blogbeitrag von der harten Arbeit, um Künstler angemessen entlohnen zu können. 800 Millionen Euro habe man im vergangenen Jahr in der EU ausgezahlt. Die globale Musikindustrie habe alleine aus Werbeeinnahmen 1,5 Milliarden Euro erhalten. Doch die ganze "Schöpferwirtschaft" gerate durch den Artikel 13 nun in Gefahr, denn er zieht die Internetkonzerne für die Urheberrechtsverletzungen zur Verantwortung, die auf ihren Plattformen stattfinden.
EU-YouTube ohne DespacitoDer Ansatz sei unrealistisch, weil sich oft die Rechtsinhaber darüber streiteten, wer welche Rechte besitzt. Man könne kaum von den offenen Plattformen erwarten, dass sie die richtigen Rechtsentscheidungen in diesen Fällen träfen. Als Beispiel nennt sie das Musikvideo "Despacito", mit eine ganze Reihe Urheberrechte – von der Tonaufnahme bis zu Veröffentlichungsrechten. Obwohl YouTube mit mehreren Unternehmen dazu Vereinbarungen getroffen habe, seien einige Rechtsinhaber unbekannt geblieben. Um eine Haftung im Sinne des Artikel 13 zu vermeiden, müsste YouTube in Zukunft solche Videos möglicherweise in der EU blockieren.
400 Stunden Videomaterial pro MinuteWojcicki deutet mit dem Beispiel an, es sei angesichts der Komplexität des Themas YouTube nicht möglich, allen Rechteinhabern sofort zu ihrem Recht zu verhelfen. YouTube könne dieses finanzielle Risiko angesichts von 400 Stunden Videomaterial, die pro Minute auf YouTube hochgeladen werden, nicht eingehen. Stattdessen verweist die YouTube-Managerin auf das hauseigene System "Content ID" und preist es als die "beste Lösung für die Verwaltung von Rechten auf globaler Ebene" an.
Massive inhaltliche EinbußenMit der Einführung drohe die EU Nutzer von einem großen Teil der 90 Milliarden Videos abzuschneiden, die jene noch im letzten Monat angesehen hätten, so Wojcicki. Die Geschäftsführerin bietet auch weiter ihre Zusammenarbeit an. Sie hofft, über umfassendere Lizenzvereinbarungen, bessere Identifizierbarkeit von Eigentümern und intelligente Rechteverwaltungstechnologien gemeinsam mit der EU Lösungen zu finden. Ziel sollte dabei gemäß Wojcicki sein, sowohl die Kreativwirtschaft florieren zu lassen als auch die Rechtsinhaber zu schützen. Die Plattforminhaber für jeden einzelnen Inhalt, den ein Nutzer hochlade, verantwortlich zu machen, hält sie für den falschen Weg.
Upload-Filter gegen MemesNach mehreren Revisionen kam der Gesetzgeber davon ab, die Zustimmung von Rechteinhabern über die Plattformbetreiber als Voraussetzung für den Upload zu machen. Der einzelne Nutzer hätte warten müssen, bis YouTube die Urheberrechtsfragen im Zusammenhang mit dem Video geklärt hatte, bis der Clip veröffentlicht werden darf. Nun sollen die Plattform-Betreiber voll haften und müssen Bilder, Tonaufnahmen und Videos prüfen. Das gelingt nur mit sogenannten Upload-Filtern, die fehleranfällig sind. Für kleine und mittlere Betreiber soll es Ausnahmen geben. Die Filterpflicht, so die
Befürchtung der Kritiker, bedrohe
Netzkultur-Phänomene wie Memes, unautorisierte Remixe und sogar das
Medienarchiv der Wikipedia. Die Reform soll noch vor den Europawahlen im Mai 2019 beschlossen werden.