Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Die Gerüchte im Vorfeld rund um das iPhone/Watch-Event waren weitgehend zutreffend, aber wie so oft unterschieden sich die tatsächlich von Apple vorgestellten Dinge dann in nicht ganz unwesentlichen Details. Das traf diesmal besonders auf die Kamerafunktionen insbesondere in Bezug auf das erwartete Periskop-Objektiv im iPhone 15 Pro Max zu. (Dass der Name "Ultra" für eine besonders große Version des Pro nicht kam, war eine andere Abweichung.)
In der
letzten Ausgabe der Rewind schrieb ich auf Grundlage der sehr verbindlich klingenden Gerüchte noch: "Das Periskop-Objektiv mit optischem Tele-Zoom kommt!". Nun stellte sich heraus, es kommt nicht, oder zumindest anders als gedacht.
Fassen wir zusammen: Das neue iPhone 15 Pro Max bekommt exklusiv eine Kamera bzw. ein Objektiv mit stärkerer Tele-Reichweite als zuvor, nämlich umgerechnet auf Kleinbild 120 mm. Das 6,1" große iPhone 15 Pro behält maximal 77 mm Tele-Brennweite, wie beim iPhone 14 Pro.
Kein Periskop-ObjektivBei dem neuen Max-Teleobjektiv handelt es sich NICHT um eine Periskop-Optik. Zumindest nicht im traditionellen Sinne eines U-Boot-Periskops, bei dem das Licht mittels Prisma um 90° in ein flach im Gehäuse liegendes Objektiv gelenkt wird und am Austritt durch ein weiteres 90°-Prisma auf den Bildsensor. Stattdessen setzt Apple im neuen 15 Pro Max ein "Tetraprisma" ein, welches das an der Frontlinse eintreffende Licht insgesamt vier mal im 90-Grad-Winkel umlenkt, bis es auf den Sensor trifft. Dadurch wird der Lichtweg quasi mehrfach gefaltet und die physische Brennweite verkürzt. Das Objektiv benötigt dadurch viel weniger Platz.
Der Sensor des neuen Teleobjektivs im Max soll größer als bisher sein. Außerdem setzt Apple für das Tele im Max erstmals eine Drei-Achsen-Sensorstabilisierung ein, die mit einer deutlich höheren Frequenz ("10.000 Mikroanpassungen pro Sekunde") als bisher Ausgleichsbewegungen machen kann. Je länger die Brennweite, desto größer die Gefahr für Verwacklungen. Daher ist eine Verbesserung der optischen Bildstabilisierung nur konsequent.
Kein echter (kontinuierlicher) optischer ZoomDoch erst mal zurück zur Optik. Neben der Tatsache, dass die Optik mit Tetraprisma (was keine Apple-Erfindung ist) eine noch kompaktere Bauweise als Periskop-Objektive ermöglicht, handelt es sich hierbei aber nicht um ein optisches Zoom-Objektiv. Das ist die zweite falsche Annahme der zuvor umlaufenden Gerüchte. Das Tele im 15 Pro Max ist eine Festbrennweite. Ein echtes Zoom-Objektiv, bei dem der Tubus nicht verlägert wird, verfügt über bewegliche Linsenelemente im Inneren. Diese verändern den Abstand zueinander, um den Bildwinkel und damit die Tele-Wirkung zu verändern. Beim 15 Pro Max scheint das nicht der Fall zu sein. Stattdessen wird der kontinuierliche Zoom-Effekt hier, wie schon bei den vorherigen iPhones mit Mehrfach-Kamera, durch eine geschickte Umrechnung und Skalierung der Bilder zwischen den vorhandenen Festbrennweiten erzielt. Immerhin gibt es dadurch keine aufwendige und potentiell anfällige Mechanik zur Verstellung diverser Linsen.
Apple schreibt in der Pressemeldung:
"Das iPhone 15 Pro verfügt über eine leistungsstarke 3-fach-Telekamera und das iPhone 15 Pro Max bietet den längsten optischen Zoom, den es je bei einem iPhone gab: 5x bei 120 mm." Die Angabe "optischer Zoom" ist da etwas verwirrend und bezieht sich offenbar nur auf den Umstand, dass das 120-mm-Tele dem 5-fachen der Brennweite der Hauptkamera im iPhone entspricht.
Von Apple zur Verfügung gestellte Beispielbilder vom 15 Pro Max (auf 3000 Pixel skaliert)
Die verfügbaren Brennweiten des 15 Pro Max sind:- 13 mm ƒ/2,2 Weitwinkel-Kamera
- 24 mm ƒ/1,78 Hauptkamera; ermöglicht auch 2x Tele (durch Quad‑Pixel Sensor): 48 mm, ƒ/1.78
- 28 mm und 35 mm (Crop und Neuberechnung von Hauptkamera)
- 120 mm ƒ/2,8 (Tele-Kamera im Max)
Alle Zwischenwerte, sowie noch stärkere Vergrößerungen über 120 mm, die sich per Pinch-Geste einstellen lassen, sind "digital gezoomte" Bildwinkel. Bei der Angabe "5x-Zoom" ist das Ultra-Weitwinkelobjektiv mit seinen 13 mm Brennweite nicht berücksichtigt. Von diesem ausgehend entspricht das 120 mm Tele etwa dem 9,2-fachen Zoom.
In den
technischen Daten des Max spricht Apple von: 5x optisches Einzoomen, 2x optisches Auszoomen, 10x optischer Zoombereich. Bis zu 25x digitaler Zoom.
120 mm echte Brennweite sind ein deutlicher Fortschritt, denn die bisher (und im neuen iPhone 15 Pro) größte verfügbare optische Brennweite entsprach 77 mm, was nur wenig mehr als "Normalbrennweite" in herkömmlichem Foto-Jargon entspricht. Telebrennweiten, wie sie beispielsweise in der Sport- und Naturfotografie häufig verwendet werden, liegen eher im Bereich ab 200 mm und aufwärts. Das heißt, ohne starken
digitalen Zoom (bis 25x im iPhone 15 Pro Max) ist auch das 15 Pro Max kaum geeignet, um beispielsweise ein Fußballspiel "professionell" fotografieren.
Zutreffend bei den Gerüchten war hingegen, dass sich das neue Tele-Objektiv nur in der Max-Variante des iPhone 15 Pro finden wird. Zum Bedauern aller, die sich kein so großes Brett in die Hosentasche stecken wollen. Aber der Platzbedarf erlaubt derzeit einfach keine Integration der Tetraprisma-Kamera in die 6,1-Zoll-Variante.
Weitere Verbesserungen der Kameras im iPhone 15 Pro / Max- Abgesehen vom Tetraprisma-Tele im Max sollen die Kameras beider neuen Pro-Modelle über einen verbesserten Nachtmodus verfügen.
- Der Portrait-Modus kann sich künftig automatisch aktivieren, wenn die Bilderkennung in der Szene eine oder mehrere Personen identifiziert. Der dann per Computational Photography erzeugte Bokeh-Effekt lässt sich nachträglich anpassen. Etwa, wenn zwei Personen versetzt im Bild sind, dass der Fokus von der einen auf die andere Person verlegt werden kann.
- Bilder mit 48 MP Auflösung von der Hauptkamera (die anderen Kameras haben 12 MP) können künftig auch als komprimiertes HEIF/HEIC-Bild gespeichert werden und nicht mehr nur als RAW. In den Genuss dieses Features kommen mit iOS17 auch Nutzer des iPhone 14 Pro.
- Die Performance, etwa bei RAW-Aufnahmen, soll sich dank des neuen A17Pro-Prozessor nochmals verbessert haben.
- Das neue Smart HDR erfasst Motive und Hintergründe mit einer naturgetreueren Wiedergabe von Hauttönen und sorgt dafür, dass Fotos in der Fotos-App hellere Lichter, sattere Mitteltöne und tiefere Schatten aufweisen. (Auch für Apps von Drittanbietern verfügbar, sodass die Bilder noch besser aussehen, wenn sie online geteilt werden.)
- Schnelles tethered Shooting für Foto und Video dank USB-C-Verbindung mit bis zu 10 Gigabit pro Sekunde. Kleiner Aufreger am Rande: Das mitgelieferte USB-C-Kabel unterstützt nur USB 2!
- Verbesserte Video-Features, u. a. dank neuem nativem Log-Profil und ProRes 4K/60p Aufnahme per Aufzeichnung auf einer per USB-C angeschlossenen SSD, sowie Aufzeichnung von Spatial Video für Vision Pro.
FazitVor allem die Kameras der neuen iPhone-Pro-Modelle haben viele Verbesserungen im Detail erfahren. Das iPhone 15 Pro Max erhält zunächst exklusiv auch ein Tele-Objektiv, das den Namen auch verdient. Wie sich das in sichtbarer Bildqualität widerspiegelt, werden die bald zu erwartenden Erfahrungstests zeigen. Als Besitzer des 14 Pro habe ich persönlich nicht vor, auf das 15er, oder gar das 15 Pro Max umzusteigen.