iPhone 8/X: Kabellose Ladestationen nach Qi-Standard – Viel Auswahl, wenig Zusatznutzen
Apple-Kritiker haben derzeit mal wieder Gelegenheit zum Plagiatsvorwurf an Cupertino. Das schon seit 2012 bei Samsung verfügbare drahtlose Aufladen des Akkus kommt mit rund 5 Jahren Verspätung nun auch ins iPhone. Dabei weiß jeder einigermaßen informierte Nutzer, dass Apple sich vor allem dadurch auszeichnet, bereits bekannte Technologien erst zur nötigen Reife weiterzuentwickeln, anstatt immer die Ersten sein zu müssen. Im Falle des drahtlosen Ladens ist es allerdings vermutlich eher der Druck der Masse gewesen, der Apple dazu bewegt hat, ein aus anderen Geräten bekanntes Feature ins iPhone zu integrieren. Viel Lust hatte Apple dazu scheinbar nicht, denn die Technik ist eigentlich ziemlich primitiv und bringt in der Praxis kaum echten Zusatznutzen.
Wie geht das eigentlich?Zur
drahtlosen Energieübertragung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die bekannteste ist das induktive Prinzip, nach der schon seit Jahrzehnten beispielsweise elektrische Zahnbürsten aufgeladen werden. Auch die neuen iPhones können mit dieser Methode ohne direkte Kabelverbindung aufgeladen werden. Allerdings ist die Bezeichnung "drahtlos" oder "kabellos" dafür ziemlich irreführend, denn es impliziert so etwas wie gesteigerte Bewegungsfreiheit. Aber das Gegenteil ist der Fall. Einzig ein physischer Steckkontakt entfällt. Das aufzuladende Device muss also nicht direkt mit einem Kabel verbunden sein.
Die induktive Ladetechnik funktioniert aber nur auf sehr kurze Distanz von wenigen Millimetern, weshalb das Gerät während des Ladens nicht in die Hand genommen werden kann. Der Ladevorgang wird dann sofort unterbrochen. Es muss stets innerhalb eines begrenzten Bereichs auf der Ladefläche liegen. Eine spezielle Ausrichtung (horizontal/vertikal) ist dabei nicht erforderlich und es entfällt das „Zielen" zur Herstellung der Steckverbindung. Damit sinkt auch die mechanische Belastung bzw. der Verschleiß der Steckverbindung und des Kabels, das aber nach wie vor erforderlich ist, um das Ladegerät selbst mit Energie zu versorgen. In der Regel funktioniert das Laden auch durch eine Schutzhülle.
Zu den Nachteilen der induktiven Lademethode gehört der geringe Wirkungsgrad. Im Vergleich zu einer direkten Kabelverbindung dauert das Aufladen länger und es wird mehr Energie verschwendet (in Wärme umgewandelt). Außerdem erzeugt die Technik elektromagnetische Strahlung im Bereich zwischen 110 und 205 kHz, die sowohl Langwellen-Rundfunk als auch technische Geräte mit sehr hoher Bandbreite (zum Beispiel einige Audiogeräte) stören oder zumindest beeinflussen können.
Apple hat sich zur Unterstützung des proprietären Qi-Standards (das spricht sich "Tschi") entschieden, den auch Samsung und etliche andere Hersteller nutzen. Qi hat derzeit den größten Verbreitungsgrad, womit viele Geräte unterschiedlicher Hersteller geladen werden können. Es erlaubt neben der Energieübertragung auch den Datenaustausch mit geringer Bandbreite, sodass Ladestation und das aufzuladende Device die Ladestrategie aushandeln können.
Den größten praktischen Nutzen dürfte die Technik im Auto haben, wenn der Hersteller eine entsprechende Ladefläche integriert. Das iPhone kann dann ohne lästige Strippe aufgeladen und zugleich per CarPlay verbunden werden. Daheim oder im Büro ist der Zusatznutzen schon geringer, denn ob auf dem Tisch ein herkömmliches Dock mit Lightning-Stecker oder ein Qi-Lader steht, macht im Platzbedarf keinen Unterschied. Je nachdem, wie oft das iPhone zur Hand genommen wird, stellt sich zudem die Frage, wie sich das auf die Lebensdauer des Akkus auswirkt. Rein theoretisch sollte es für moderne Akkus kein Problem sein, wenn sie ständig und nur in kurzen Intervallen per Induktion teilgeladen werden. Doch genaue Studien darüber, ob das Laden per Induktion im Vergleich zum direkten Kabelanschluss Nachteile für den Akku hat, stehen meines Wissens noch aus.
Für Nutzer, die mit einer Akkuladung locker über den Tag kommen, reicht es völlig, wenn das iPhone einmal am Tag (oder auch nur alle paar Tage) einmal vollständig per Kabel aufgeladen wird. Einen nennenswerten Komfortnachteil hat man dadurch nicht, sodass man sich einen Qi-Charger sparen kann. Dennoch ist es schön, diese alternative Möglichkeit zum Aufladen künftig auch im iPhone zu haben. Wer es nicht mag oder braucht, muss es nicht nutzen.