macOS Big Sur: Oberfläche und iOS-Apps – Wiederholt Apple die Fehler von Windows 8?
Die diesjährige Worldwide Developers Conference 2020 stand ganz im Zeichen des Macs: Apple präsentierte gleich zwei große Neuerungen. Zukünftig wird der Mac auf Apple-eigene, auf der ARM-Architektur basierende Prozessoren und auch selbst entwickelte Grafikchips einsetzen. macOS Big Sur bringt das bisher größte Update der grafischen Benutzeroberfläche seit Erscheinen von Mac OS X im Jahr 2001 mit – und rückt diesen dichter an das iPad und iPhone. Viele Elemente gleicht Apple an die iOS-Plattform an: Die Programmicons sind nun den iOS-Icons sehr ähnlich und auch das Fenster-Design nimmt mit Seitenleisten in voller Höhe deutliche Anleihen bei iPadOS.
Wo Microsoft mit Windows 8 scheiterteWindows 8 brachte eine komplett neue Designsprache auf Desktop-PCs, Laptops und Tablets: Metro. Zuvor experimentierte Microsoft bereits beim Zune und bei Windows Phone mit diesem Look – mit Windows 8 erreichte dieser auch den PC. Dies bedeutete, dass eine Benutzeroberfläche zeitgleich für Tablets, Laptops und Desktop-PCs funktionieren sollte – laut vielen Testberichten der damaligen Zeit gelang dies aber nicht. Eine Oberfläche, welche für Tablets mit Touch-Bedienung gedacht war, passte kaum auf einen Desktop-PC mit Maus und Tastatur. Als zu groß und unpraktisch erwiesen sich die Elemente. Auf der anderen Seite war Microsofts Anpassung unvollständig: Immer wieder fanden sich Tablet-Nutzer in der "klassischen" Windows-Benutzeroberfläche mit sehr kleinen, völlig für Touch-Bedienung ungeeigneten Elementen wieder.
Schließlich ruderte Microsoft mit Windows 8.1 und Windows 10 zurück – Überbleibsel finden sich aber immer noch im System.
Kaum Risiko – macOS Big Sur an sichDie Grundprinzipien des Macs bleiben mit macOS Big Sur glücklicherweise erhalten: Es gibt weiterhin Fenster, das Dock und viele weitere Bedienparadigmen, welche den Mac-Nutzern ans Herz gewachsen sind. Apple veränderte zwar die Optik, aber im Prinzip lässt sich der Mac noch gleich bedienen. Nach wie vor hat Apple wohl nicht geplant, Laptops mit Touch-Screen oder andere Hybrid-Geräte ins Programm aufzunehmen.
Inkonsistente Oberfläche: iPhone- und iPad-Apps auf dem MacBesitzt man einen der kommenden ARM-Macs, kann man nicht nur Mac-Apps installieren, sondern auch Apps vom iPhone und iPad. Diese führt der Mac dank Apple-A-Prozessoren nativ und in voller Geschwindigkeit aus.
Nur: Diese iPhone- und iPad-Apps sind für Touch-Bedienung ausgelegt. Zwar lassen sich viele Apps wahrscheinlich auch mit Maus und Tastatur bedienen, wenn diese beispielsweise kein Multi-Touch benötigen, doch dürften sich die iOS-Apps keinesfalls wie Mac-Apps anfühlen. Apple hat sich zwar bei der Laufzeitumgebung für iOS-Programme einige Mühe gegeben – doch viele Nutzer werden dennoch eine völlig inkonsistente Benutzeroberfläche wiederfinden.
Für manche Nutzer stellt dies eine praktische Funktionalität dar: Liebgewonnene iPad- und iPhone-Apps lassen sich nun auch auf dem Mac nutzen. Andere Nutzer dürften sich jedoch ärgern, da davon auszugehen ist, dass der App Store wohl hunderttausende Apps beinhaltet, die nicht gut oder gar nicht auf dem Mac laufen. Apple erinnerte zwar iOS-Entwickler, ihre Apps dahingehend zu überprüfen – doch wahrscheinlich reagieren viele Entwickler überhaupt nicht. Apple geht standardmäßig davon aus, dass Apps kompatibel sind (wenn nicht bestimmte Programmierschnittstellen erkannt werden) – außer, der Entwickler widerspricht aktiv.
Die Lösung für Apple: Mac CatalystApple ist sich sehr wohl im klaren darüber, dass native iOS-Apps auf dem Mac vom Bedienkonzept her nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Daher will man, dass Entwickler ihre iOS-Apps mittels Mac Catalyst auf den Mac portieren. Zwar handelt es sich hierbei immer noch nicht um "vollwertige" Mac-Apps – aber bei kleineren Programmen merkt man bereits in macOS Catalina kaum noch, dass diese nicht mittels Cocoa geschrieben wurden.
FazitEin "UI-Debakel" wie Windows 8 ist mit macOS Big Sur nicht zu erwarten – mit Windows 8 wollte Microsoft das ganze Betriebssystem einheitlich über alle Plattformen hinweg gestalten und Apple bringt lediglich Apps von iOS auf den Mac. Dennoch bleibt abzuwarten, wie Apple iOS-Apps im Mac App Store präsentiert. Auf der WWDC sagte Apple, dass iOS-Apps einfach in der Kauf-Liste im Mac App Store auftauchen. Noch unklar ist, ob Apple die iOS-Programme gleichwertig mit Mac-Apps im Mac App Store präsentiert. Letzteres wäre wahrscheinlich keine gute Idee, da sich viele Nutzer mit inkonsistenten oder fehlerhaften Nutzeroberflächen herumschlagen würden, welche nicht für Maus und Tastatur gedacht sind.