photokina 2018: Fotoindustrie im Umbruch – Marktkonsolidierung durch neue Systeme und Partnerschaften
In diesem Artikel geht es nur am Rande um die Produktneuheiten der diesjährigen
photokina, der wichtigsten Fotomesse weltweit, die vom 26. bis 29.09.2018 in Köln stattfand. Vielmehr sollen hier die bedeutenden Umwälzungen näher beleuchtet werden, die derzeit die Kamera-Industrie erlebt. Und wie dies die Verbraucher, also Hobby- und Profifotografen in aller Welt, künftig betrifft.
Fangen wir dennoch mit der wohl wichtigsten Meldung aus Köln an:
Die Hersteller Panasonic, Leica und Sigma haben eine neue Partnerschaft verkündet. Zentrales Element der Zusammenarbeit ist die Nutzung eines gemeinsamen Objektivanschlusses, kurz "L-Mount" genannt, und der Eintritt Panasonics in das Geschäft mit Vollformat-Kameras.
Dieser Schritt wird weitreichende Folgen für die künftige Landschaft der Systemkameras haben.
Warum?
Der Objektivanschluss wird mehr denn je über den Erfolg der Marken und über die Kundenbindung bestimmen.
Viele Jahre gab es im Prinzip nur zwei bedeutsame Player: Canon und Nikon teilen sich im Vollformat-Segment derzeit mehr als 90% Marktanteil. Sony hat sich schon vor geraumer Zeit mit der Konzentration auf spiegellose Kameras (auch DSLM abgekürzt = Digital Single Lens Mirrorless, im Gegensatz zu DSLR = Digital Single Lens Reflex) mit Vollformatsensoren vorgenommen, von diesem Kuchen ein größeres Stück abzubekommen. Mit der Schaffung einer Pro-Service-Abteilung zur Unterstützung von Profi-Fotografen auf Großveranstaltungen unterstreicht Sony die Ernsthaftigkeit seiner Absichten. Bislang sah man bei Fußball-Weltmeisterschaften, Formel-1-Rennen, Royal-Hochzeiten und ähnlichen Ereignissen fast nur Canon- und Nikon-Linsen. Sony hat zwar bislang nur kleine Krümel vom großen Kuchen abbekommen, aber der Anteil schien in letzter Zeit dank sehr leistungsfähiger DSLMs und auch der Verbesserung des Angebots im Bereich großer, lichtstarker Teleobjektive weiter zuzunehmen. Auch das 35-mm-Sensorformat (auch Vollformat oder Kleinbild genannt) scheint sich nach dem Erfolg des Kleinbild-Films abermals als genau die richtige Größe für eine gute Balance aus Bildqualität, Portabilität und Ergonomie zu erweisen. Die Bildsensortechnik ist inzwischen auch so weit, dieses Format in Preis- und Leistungsbereichen anbieten zu können, die sich auch größere Verbrauchergruppen leisten können.
Panasonic hat bisher vornehmlich Kameras und Objektive für das nur etwa ein Viertel so große Four-Thirds-Format entwickelt. Das aber mit großem Erfolg. Panasonics Kameras gelten fotografisch und insbesondere für die Videoaufzeichnung als äußerst Leistungsstark. Diese Eigenschaften auf Vollformat hoch zu skalieren dürfte für Panasonic, die auch in der Entwicklung von Bildsensoren technisch an der Spitze mitspielen, keine unlösbare Aufgabe sein. Ihr größtes Problem: Sie haben keine eigene Basis an Vollformat-Objektiven. Und die sind für Systemkameras nun mal kriegsentscheidend.
An diesem Punkt kommen Leica und Sigma ins Spiel. Leica hat bereits mit dem L-Mount (ursprünglich "T-Mount") ein Portfolio von (wenn ich mich nicht verzählt habe) 8 Vollformat- (SL-Serie) und 7 Crop-Varianten (TL-Serie) im Angebot, die auf diesen Anschluss passen. Wenn Panasonic dieses "Interface" übernimmt, braucht erstens kein eigener, proprietärer Anschluss entwickelt zu werden und zweitens stehen bereits zum Start mehr Objektive parat, als aus eigener Kraft so schnell geschaffen werden könnten. Allerdings ist Leica als Luxushersteller bekannt und bietet nur vergleichsweise teure Optiken an. Panasonic wird daher natürlich auch eigene Objektive entwickeln. Dazu später noch mehr. Panasonic hatte zuvor schon in einigen Bereichen mit Leica kooperiert, für den Edelanbieter umgelabelte Kompaktkameras gebaut und gemeinsame Objektiventwicklung betrieben.
Als weiteren Partner hat man sich Sigma ins Boot geholt. Sigma ist vornehmlich als Hersteller für Objektive bekannt, die für alle wichtigen Objektivanschlüsse inkl. Nikon und Canon angeboten werden. Sigma baut zwar auch Kameras mit Vollformat-Anschluss (
SA-Mount), war damit aber bislang begrenzt erfolgreich. In einer Kooperation mit Panasonic und Leica und mit der Übernahme des L-Mounts könnte sich die Situation für Sigma als Objektiv-
und Kamerahersteller entscheidend ändern. Sigma hat bereits bekannt gegeben, seinen SA-Mount einzustampfen und künftig Vollformatkameras mit L-Mount anbieten zu wollen.