Welches ist denn nun der beste Mount?Wer sich mit Fotografie ein bisschen auskennt und keine Fanboy-Allüren hat, wird einsehen, dass es darauf keine eindeutige Antwort gibt. Technisch gesehen kann man zwar gewisse Vor- und Nachteile herausschälen, aber letztlich kommt es auf das reale Objektivangebot und die Aussicht auf die zukünftige Objektivversorgung an. In diesem Punkt – und rein auf Vollformat bezogen – sehe ich Canon RF momentan für eine
langfristige Perspektive leicht vor Nikon Z und deutlicher vor Sony-FE und dem L-Mount-Konsortium. Das basiert aber nur auf meiner persönlichen Einschätzung der bisherigen Objektivvorstellungen für RF. Da hat Canon meiner Meinung nach mit den vier Objektiven 24-105 mm f/4, 28-70 mm f/2, 50 mm f/1,2 und 35 mm f/1,8 das attraktivste Startangebot vorgelegt. Natürlich gilt für Canon wie für Nikon, dass deren riesiges SLR-Objektivsortiment ohne nennenswerte Einschränkungen an den neuen DSLMs genutzt werden können, was ihnen genug Zeit verschafft, native Mirrorless-Objektive zu entwickeln. Sony, die sich mutig schon vor ein paar Jahren auf Mirrorless-Vollformat eingelassen haben, verfügen im Augenblick über das größte Angebot an entsprechenden Objektiven für Mirrorless.
Dieser Vorsprung ist natürlich nicht zu unterschätzen. Demgegenüber steht aber auch Canikons Vorsprung im Pro-Support und der Verbreitung seiner Systeme weltweit.
Technisch gesehen konzentrieren sich die Betrachtungen der Objektivanschlüsse vor allem auf zwei Parameter: Den Durchmesser und das sogenannte Auflagemaß (im Englischen "Flange Back" genannt). Ersteres ist weitgehend selbsterklärend. Das Auflagemaß beschreibt die Distanz zwischen der Auflagefläche des Objektivs am Bajonett und der Sensoroberfläche.
Im Bezug auf den Durchmesser gilt, etwas vereinfacht beschrieben: je größer, desto mehr Entwicklungsspielraum. Beim Auflagemaß gilt
theoretisch: je kürzer, desto besser. Aber gerade beim Auflagemaß ist die Rechnung nicht ganz so einfach. Hier zunächst die Daten der vier oben genannten Objektivanschlüsse:
- Canon RF: 20mm flange, 54mm Durchmesser
- Nikon Z: 16mm flange, 55mm Durchmesser
- Sony FE: 18mm flange, 46mm Durchmesser
- L-Mount: 20mm flange, 51,6mm Durchmesser
Demnach könnte man den einfachen Schluss ziehen: Nikon etwas besser als Canon, dann L-Mount und Sony ist das Schlusslicht.
Ein kürzeres Auflagemaß ist nicht per se besser. Prinzipiell kann man über den Abstand und die Größe des rückwärtigen Linsenelements im Objektiv einige Parameter beeinflussen, wie etwa die Größe des Objektivs insgesamt und den Winkel, in dem Lichtstrahlen vom rückwärtigen Linsenelement gebrochen werden müssen, um die Sensorecken zu erreichen. Man kann den Abstand zum Sensor trotz festem Auflagemaß verringern, indem man das Objektivende einfach etwas tiefer in das Kameragehäuse eindringen lässt. So hat Canon beispielsweise das RF 24-105 f/4 vergleichsweise kompakt konstruieren können, das RF 50mm f/1,2 hingegen mit einem sehr großen, tief in die Kamera reichenden Rückseitenelement besonders scharf bis zu den Rändern, wie bisher kein anderes 50er dieser Lichtstärke.
Die oben genannten Maße sagen also eher etwas über die Konstruktionsreserven für Objektive aller Art aus. Und da haben tatsächlich Nikon und Canon die besten Karten. Zumindest in der Theorie.
Darüber hinaus spielen aber auch andere Dinge eine Rolle, wie beispielsweise die Bandbreite und Zukunftssicherheit der elektrischen Anschlüsse zwischen Objektiv und Kamera. In diesem Punkt hat Canon am weitesten in die Zukunft geschaut und die bisher 8 Kontakte des EF-Bajonett auf 12 beim RF-Anschluss erweitert. Die werden derzeit noch nicht alle genutzt, mindestens einer bleibt als Reserve für zukünftige Entwicklungen. Canon hat die Möglichkeiten der Datenübertragung beim RF-Mount auch gleich dazu genutzt, die optischen Korrekturdaten für die Objektive künftig nicht mehr in der Kamera zu speichern, sondern im Objektiv selbst. Sobald man ein RF-Objektiv an die Kamera schraubt, werden die Daten der Kamera mitgeteilt. Das hat mehrere Vorteile: Erstens müssen nicht immer die Daten aller Objektive in der Kamera vorgehalten werden, zweitens können die Werte individuell für jedes Objektiv angepasst und damit auch Serienstreuungen ausgeglichen werden. Die Werte aller bisherigen EF-Objektive sind aber weiterhin in der Kamera gespeichert, weil diese Objektive eben nicht selbst ihre Korrekturdaten mitteilen können. Beim RF-System hat Canon also einen weiteren sinnvollen Entwicklungsschritt vollzogen.
Inwieweit auch Nikon mit dem Z-Mount solche oder ähnliche Verbesserungen untergebracht hat, wurde meines Wissens bisher vom Hersteller nicht detailliert kommuniziert. Beim L-Konsortium wurde der seit längerem bekannte Leica L-Mount nach derzeitigem Wissensstand unverändert übernommen. Der Nikon Z-Mount hat übrigens 11 Pins, L-Mount 10 und Sony E ebenfalls 10 Kontakte. Die Zukunft wird zeigen, ob sich aus der Anzahl dieser "Kanäle" etwaige Vorteile ergeben.
- HINWEIS (Nachtrag): Die oben erwähnte Datenübertragung zwischen Objektiv und Kamera ist weder ein Novum der Canon RF, noch ist es brandneu. Dies kam im Text nicht deutlich genug hervor. Olympus nutzt diese Möglichkeit bereits seit Einführung der E-1 im Jahre 2003. Außerdem verfügen auch die Four-Thirds-Kameras bereits seit 2009 über 11 Kontakte. Die obige Erwähnung bezieht sich nur auf die Erweiterungen der neuen Vollformat-Mounts.
Wichtig ist auch zu wissen, dass die Schaffung eines solchen Objektivanschlusses eine in der Welt der Technologie äußerst langfristige Entscheidung ist. 30 Jahre
plus sind die Dauer, für die heute getroffene Entscheidungen ausreichen müssen, um alle zukünftigen Eventualitäten abzudecken.
Wie sich die Canon EOS R in der Praxis schlägt, werde ich hoffentlich im Laufe des Oktober für Sie herausfinden. Tests der anderen Systeme sind derzeit noch nicht fest geplant, stehen aber noch auf der Agenda.
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Mount und das Objektivangebot werden mehr denn je darüber entscheiden, wie sich die Anbieter künftig am Markt behaupten können.
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